Natur in Cuxhaven
Das Watt - Leben auf dem zweiten Blick
Die Wattflächen scheinen auf den ersten Blick eintönig und leblos zu sein. Jedoch beim genaueren Hinsehen verraten Kothaufen, Freß - und Kriechspuren die Anwesenheit unzähliger Krebstiere, Ringelwürmer, Muscheln und Schnecken.
Die meisten dieser Meerestiere sind durch Eingraben vor den widrigen wechselhaften Lebensbedingungen im Wattenmeer geschützt und ihre Hauptfeinde - bei Ebbe die Vögel, bei Flut die Fische - haben Mühe, ihnen nachzustellen.
So beherbergt ein Quadratmeter Wattboden oft hunderttausende kleiner Tiere, deren ständige Bewegungen im Boden manchmal ein regelrechtes "Wattknistern" verursachen.
Selbst der schmierig braune Belag, der sich zeitweise auf dem Wattboden bildet, ist eine Ansammlung millionenfachen Lebens, nämlich von unzähligen mikroskopisch kleinen Kieselalgen. Sie stellen die bedeutendste pflanzliche Nahrungsquelle im Wattenmeer dar.
Wer hinter das Geheimnis der vielfältigen Spuren im Watt kommen möchte, sollte sich einer fachkundigen Wattführung anschließen, die das Wattenmeer-Besucherzentrum in Sahlenburg anbietet.
Ebbe und Flut
Die Nordsee kommt und geht im Wechsel der Gezeiten.
Die Gezeiten oder Tiden (Ebbe und Flut) werden hauptsächlich durch den Einfluss des Mondes auf die Weltmeere hervorgerufen. Seine Anziehungskraft bewirkt auf der ihm zugewandten Erdseite einen Flutberg, dem auf der abgewandten Erdseite ein durch gleichstarke Fliehkräfte verursachter Flutberg entspricht. Dazwischen bilden sich Ebbetäler aus.
Innerhalb von 24 Stunden dreht sich die Erde einmal um ihre eigene Achse. In gleicher Drehrichtung umläuft der Mond in ca. 28 Tagen einmal die Erde. Daher vergehen etwa 24 Stunden und 50 Minuten, bis ein Punkt auf der Erde, z.B. Cuxhaven, dem Mond wieder genau gegenüberliegt. Also treten Ebbe und Flut von einem Tag zum anderen am gleichen Ort ca. 50 Minuten spater ein. Eine Tide, d.h. der Zeitabschnitt zwischen zwei Hochwasser- oder zwei Niedrigwasserständen dauert folglich ca. 12 Stunden und 25 Minuten.
Diese Erscheinungen werden durch die Feldkräfte der Sonne entweder verstärkt oder abgeschwächt, wodurch es zu Spring- und Nipptiden kommt. Springtiden treten bei Voll- und Neumond auf, da dann Sonne, Mond und Erde auf einer (gedachten) Linie liegen und sich die Anziehungs- und Fliehkräfte verstärken. Zu Nipptiden kommt es jeweils bei Halbmond; Sonne, Erde und Mond stehen dann im rechten Winkel zueinander, die Anziehungs- und Fliehkräfte heben sich teilweise auf.
Die Flutberge des Atlantiks erreichen die Nordsee und wandern in ihr als Welle fort. Durch Aufstau in Küstennähe wird der Tidehub (Differenz zwischen Flutberg und Ebbetal) größer. Vor Cuxhaven beträgt der Tidehub in Mittel 2,9 m und ist damit höher als in vielen anderen Bereichen des Wattenmeeres.
Bei auflaufender Flut füllen sich zuerst die Priele, und erst danach überfluten auch die höherliegenden Wattflächen. Deshalb ist die Verweilzeit des Wassers an den Cuxhavener Stränden im allgemeinen nur kurz .
Der astronomisch bedingte Tidehub kann durch das Wetter- geschehen stark beeinflusst werden. Bei ablandigen Winden liegt das Watt länger als normal trocken, dagegen wirken Seewinde dem Ablaufen des Wassers entgegen. Beim Zusammentreffen von Flutbergen und Sturm aus westlichen Richtungen bauen sich die gefürchteten Sturmfluten auf .
Watt- oder Pierwurm
Der Wattwurm, auch Pierwurm genannt, verursacht von allen Meeresringelwürmern die auffälligsten Spuren auf dem Wattboden. Unterhalb eines trichterförmigen Loches lebt er (oder sie) in einer gebogenen Röhre in gut 30 cm Tiefe. Durch das Loch hinabrieselnder Wattboden wird vom Wurm in großen Mengen verschlungen, weil nur die enthaltenen Kleinstlebewesen der Ernährung dienen. Den unverdaulichen Sand scheidet der Wattwurm ca. einmal pro Stunde als "Sandspaghetti" nach oben aus, was sich beim Wattwandern gut beobachten läßt. Darauf warten auch seine Feinde - bei Flut vor allem Fische, bei Ebbe Vögel - oft erwischen sie aber nur das Wurmhinterende, das dann wieder nachwächst.
Nordseegarnele und Strandkrabbe
Die Nordseegarnele wird im Volksmund "Krabbe" genannt. Abgebrüht und geschält ("gepult") ist sie bei Feinschmeckern hochgeschätzt. Wer Nordseegarnelen im Watt entdecken will, muss schon genau hinschauen, so tarnend sind sie gefärbt. Dabei verrät das Kitzeln an unseren Füßen die Anwesenheit unzähliger junger Garnelen in den Wattpfützen. Zum Herbst, sobald es kalt wird, ziehen sie sich ins tiefere Wasser zurück, wo sich auch die älteren Garnelen bevorzugt aufhalten.
Viel auffälliger als die Nordseegarnele ist die Strandkrabbe. Größere Exemplare können sich sehr wehrhaft verhalten und drohen mit ihren kräftigen Scheren sogar dem Menschen.
Muscheln und Schnecken im Watt
Während die Strandschnecke mit ihrem gut 1 cm hohen und breiten Gehäuse im Watt noch auffällt, wird die nur wenige Millimeter kleine Wattschnecke meist übersehen. Dabei weiden auf einem Quadratmeter Wattboden oft Zehntausende von ihnen unermüdlich Kieselalgen ab. Wird es den Wattschnecken zu trocken, graben sie sich im Schlick ein.
Von den Schnecken unterscheiden sich die Muscheln durch zweiklappige Schalen. Abgesehen von der Miesmuschel, die sich vor allem in Prielen festheftet und dort regelrechte "Muschelbänke" bildet, leben die anderen Muschelarten, wie Herz- und Sandklaffmuschel, im Wattboden eingegraben. Mit Siphonen (streckbaren, beweglichen "Rüsseln") erreichen sie das Wasser und filtern daraus Kleinstlebewesen.
Finkenmoor
Benannt nach dem Sahlenburger Familiennamen Finck gilt das Finkenmoor von alters her als Besonderheit und Orientierungspunkt an der hiesigen Küste. Aus einem Gewässer entwickelte sich hier im Verlauf des natürlichen, über Jahrtausende andauernden Verlandungsprozesses durch wachsende Ablagerungen ein Moor.
Die im Sommer üppigen Seerosenbestände deuten auf geringe Tiefe und hohen Nährstoffgehalt hin.
Doch auch der Mensch hat das Finkenmoor verändert. So wurde z.B. Anfang des 20.Jahrhunderts der westliche Dünenriegel durchbrochen, um das Moor zu entwässern und Wald anzupflanzen. Doch schon zu dieser Zeit erkannte man den Naturschutzwert dieses landschaftlichen Kleinods. Deshalb wurde der Abfluss wieder verschlossen und das Finkenmoor im Jahre 1938 als Naturdenkmal unter Schutz gestellt.
Auch in der Folgezeit führten wechselnde Wasserstände dazu, dass die moorige Senke mal den Charakter eines Moores, mal den eines Gewässers annahm.
Heute lässt der vergleichsweise hohe Wasserstand das malerische Bild eines Süßwasserweihers entstehen, umsäumt von Verlandungsbereichen mit Seggen- und Schilfröhricht, wobei das moorbraune Wasser von der Gewässergeschichte zeugt. Östlich des Weihers schließt sich ein schmaler Streifen Moorvegetation an, die in Weidengebüsche und Kiefernwald übergeht. Das Finkenmoor bietet Lebensraum für zahlreiche typische, z.T. auch gefährdete Tier- und Pflanzenarten.