Triller-Turnier der Austernfischer

17. April 2020

Frühlingspremieren-Konzert der Austernfischer

Der Austernfischer ist einer der bekanntesten und lautesten Vögel, die wir auf Baltrum haben. Im Moment überkommen ihn gesanglich die Frühlingsgefühle – treffen mehrere aufeinander, zeigen die geöffneten Schnäbel Richtung Boden und das Konzert beginnt. Vogelkundler sprechen liebevoll von „Trillerturnieren“. Das dabei verwendete „kliip“ steigert sich im Tempo. Insgesamt geht es darum, seine Reviergrenzen abzustecken und die Dame des Herzens zu beeindrucken (siehe Videobeweis). Es kommt vor, dass so ein Trillertanz auch zur Bereinigung von ehelichen Streitereien, z.B. einem Seitensprung, dient. So kommt es, dass manche Beziehungen 20 Jahre lang halten!

https://www.youtube.com/watch?v=XeG9p5_lAw4

Der Schnabel dient als Werkzeug und man kann an ihm die Lieblingsnahrung ablesen: Es gibt den Pinzett-Schnabel (zum Ringel- oder Regenwürmer aus dem Watt-/Wiesenboden ziehen), den Hammer-Schnabel (die Muschelschale wird mit dem Schnabel kaputt gehämmert; diesem Schnabel fehlt die Spitze, sie ist quasi platt gehämmert) oder den Meißel-Schnabel (zwischen die geöffnete Muschelschale stoßen, Schließmuskel der Muschel durchtrennen, fressen). Junge Austernfischer lernen die Jagdmethode von ihren Eltern – doch wer nicht weiß, wo der Schließmuskel sitzt, kann daneben „meißeln“. Dann ist die Muschel schneller, schließt ihre Schalen um die Schnabelspitze fest zu – und der junge Austernfischer kriegt seine Klappe nicht mehr auf. Keine Sorge, irgendwann gibt die Muschel nach und der nächste Versuch kann gestartet werden!

Werden die Muscheln knapp, kann der Austernfischer umrüsten – der Schnabel wächst ca. 4 mm am Tag. Eine 10tägige Hungerpause sorgt dafür, dass z.B. beim Hammer-Schnabel die Spitze nachwächst und der Vogel ihn nun als Pinzett-Schnabel zum Würmer heraus ziehen nutzen kann.

Sein wissenschaftlicher Name, Haematopus ostralegus, verrät, dass er „der Austernsammler mit dem blutroten Fuß“ ist. Während die Farbe des Fußes noch stimmt, sind die Austern eher symbolisch für kleinere Muscheln wie Herz- oder Miesmuscheln zu sehen.

Nun weiß bekanntlich jeder, dass der Storch die Babys bringt. Da Störche aber auf Baltrum nicht genug Nahrung finden (Frösche sind Mangelware), die Baltrumer aber trotzdem Kinder bekommen (siehe Ahnentafeln im Alten Zollhaus, dem Heimatmuseum), muss der Austernfischer dafür herhalten. Mit seinem storchenähnlich schwarz-weißen Federkleid und dem roten Schnabel ist er dazu prädestiniert und wurde zum „Ostfriesenstorch“ (in Schleswig-Holstein ein ähnliches Problem, dort heißt er „Halligstorch“). Da er nur taubengroß ist, muss er ganz schön schwer schleppen…

Leider bereitet der eigene Nachwuchs Schwierigkeiten; das beginnt schon mit der Wahl des Nistplatzes. Die einen sagen scheinbar wahllos, die anderen sagen sehr einfallsreich – zwischen Bahngleisen, auf Schutthalten, in Küstenschutzbauwerken… Dabei sind Austernfischer hartnäckig: Bis zu 10 Jahre lang kämpfen sie um ihr Traumquartier! Am liebsten brüten sie in der Nähe von Gewässern. Dort wird eine kleine Kuhle angelegt und mit kleinen Fundstücken (Hölzchen, Muschelschalen) gemütlich gestaltet. Der eine bebrütet die 2-4 Eier, der andere hält in der Nähe Wacht – immer wechselweise. Nach knapp vier Wochen schlüpfen die Küken. Sobald das Gefieder getrocknet ist, wird unter den wachsamen Augen der Eltern die Umgebung erkundet. Gut fünf Wochen werden die Kleinen von ihren Eltern betreut und erhalten Unterricht in der entsprechend familiär weitergegebenen Jagdmethode. Der Austernfischer ist der einzige unter den Watvögeln, der sich so intensiv und lange um den Nachwuchs kümmert!

Der Austernfischer kann ein Höchstalter von 44 Jahren erreichen – so dürften Sie mit größter Wahrscheinlichkeit bei Ihrem nächsten Urlaub auf Baltrum auch in den Genuss eines Triller“konzertes“ kommen.

Das Nationalpark-Haus Team wünscht Ihnen ein schönes Wochenende und vor allem Gesundheit!